Demokratisch 10. September 2024 Fraktion

Hypothesen zur fraglichen Verfassungswidrigkeit

Dass die echte Gleichstellung aller Glaubensgemeinschaften und konsequente Religionsfreiheit politisch unerwünscht sind, überrascht uns leider kaum noch. Schliesslich haben die Regierung und der Landtag in der Vergangenheit immer wieder signalisiert, dass eine Trennung von Staat und Kirche nicht ernsthaft angestrebt wird. Überraschend und fragwürdig ist allerdings, wie sich die Volksvertretung im September-Landtag jeglicher Diskussion in diese Richtung entzog. Noch vor es zu einer inhaltlichen Debatte kommen konnte, hat eine Mehrheit der Abgeordneten unsere parlamentarische Initiative zur Neuregelung des Verhältnisses zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften mit dem Prädikat «verfassungswidrig» abgewürgt. Begründet wurde der Beschluss mit einem hypothetischen Worst-Case-Szenario: Sollten sich die Gemeinden und die katholische Kirche bis zum von uns vorgesehenen Inkrafttreten des Gesetzes (am 1. Januar 2026) auf finanzieller Ebene nicht einigen können, würde die Initiative in Konflikt mit der Verfassung geraten. Die Zeit bis dahin sei zu knapp für eine Einigung und eine Verfassungswidrigkeit in der Zukunft entsprechend wahrscheinlich, so die Argumentation. Das wirft insbesondere deshalb Fragen auf, weil 2014 eine in den relevanten Teilen deckungsgleiche Initiative für zulässig erklärt und diskutiert wurde, deren Umsetzungsfrist wesentlich kürzer gewesen wäre.

Wir schlussfolgern: Die Verfassungsmässigkeit der Initiative war am vergangenen Mittwoch durchaus gegeben, eine Eintretensdebatte hätte aus unserer Sicht im Minimum stattfinden müssen. Wer das bezweifelt, tut es in der Annahme, dass eine Einigung mit dem Heiligen Stuhl über die finanzielle Entflechtung in absehbarer Zukunft ausgeschlossen ist. Die Möglichkeit, dass die römisch-katholische Kirche einen konstruktiven Dialog in nützlicher Frist verweigert, schützt sie damit also qua Verfassung davor, den Verfassungsrang zu verlieren.

 

Der Landtagsbeschluss von letzter Woche wirft Fragen auf, die (ganz in Regierungsmanier) folgende Hypothesen zulassen: Entweder wurde die Diskussion rund um die Initiative im Keim erstickt, weil sich die Abgeordneten schlichtweg nicht dazu positionieren wollten. Oder aber, wir sind auf dem Weg hin zum modernen säkularen Staat zwingend auf die wohlwollende Kooperation der Kirche angewiesen, welche aus Sicht einer Mehrheit der Abgeordneten unrealistisch ist. Ausser Frage steht, dass beide Szenarien gleichermassen unbefriedigend wären. Eine ehrliche Debatte über die Trennung von Kirche und Staat muss endlich geführt werden.