Politische Frage der Woche: Enteignung
Die Regierung möchte ein Strassengesetz schaffen – ein entsprechender Bericht wurde in Vernehmlassung geschickt. Neben einem Bewilligungsverfahren sollen auch Regeln zur Enteignung in Bezug auf die Erstellung von Landstrassen und dazugehörige Bauten geschaffen werden, wenn öffentliches Interesse gegeben ist. Enteignungen sollen als letztes Mittel möglich sein, um zu verhindern, dass eine einzelne Person bzw. ein Bodenbesitzer ein Projekt von landesweitem Interesse verhindern kann.
Soll im öffentlichen Interesse enteignet werden können?
Bereits jetzt können Enteignungen ausgesprochen werden. Dass es nie dazu kommt, liegt nicht an fehlenden Anwendungsfällen. Bei zahlreichen Vorhaben stehen einzelne Bodeneigentümer, die eine einvernehmliche Lösung mit dem Gemeinwesen verweigern, einem grossen Bedürfnis der Öffentlichkeit an Mobilität, Energieversorgung oder Raumplanung entgegen. Es soll nach einer sorgfältigen Abwägung dieser Interessen weiterhin möglich sein, im Ausnahmefall Enteignungen mit angemessener Entschädigung auszusprechen. Bisher lag diese praktisch ungenutzte Kompetenz beim Landtag, neu soll sie im Bereich des Strassenbaus von der Regierung ausgeübt werden können.
Zwar ist die Regierung aus meiner Sicht wohl besser geeignet, erstinstanzlich über Enteignungen zu entscheiden. Für nicht sinnvoll halte ich jedoch, dass diese Änderung nur im Rahmen des Strassengesetzes vorgebracht wird. Zielführender wäre jedenfalls eine einheitliche Revision des gesamten Enteignungsrechts. Dies gerade im Hinblick auf die angedachte Enteignungskommission. Eine solche könnte in allen Enteignungsverfahren bei der wesentlichen Interessenabwägung mitwirken und persönliche Anhörungen der Betroffenen gewähren.
Das zentrale Problem am heutigen Enteignungsrecht liegt allerdings nicht in der Zuweisung der Kompetenz, sondern im fehlenden politischen Mut, Bedürfnisse der Gemeinschaft gegen einzelne Privatinteressen durchzusetzen. Selbstverständlich braucht es weiterhin ausreichenden Rechtsschutz und eine angemessene Entschädigung für die Betroffenen. Einzelne Bodenbesitzer sollten Projekte von grossem öffentlichem Interesse nicht bis in alle Ewigkeit verhindern können. Dafür braucht es ein vernünftiger ausgestaltetes Enteignungsrecht und den politischen Mut, dieses im Ausnahmefall auch anzuwenden.
Valentin Ritter, Vorstandsmitglied